Erfahrungsbericht Vokabelaufbau

Erfahrungsbericht im Sprachunterricht mit Flüchtlingen, speziell für Vokabelaufbau

 von Karin Campbell

November 2015

 Vor ca. 3 Jahren habe ich angefangen ehrenamtlich Deutsch im Flüchtlingsheim zu unterrichten. Vorallem in der Zeit, wo die Leute nur rumsaßen und noch keine Erlaubnis zu offiziellen Sprachkurse hatten. Sie waren sehr dankbar, dass ich mit ihnen Deutsch machte.

Wir saßen in der Küche, im Sommer auch vor dem Haus und jeder brachte noch zusätzlich Stühle aus seinem Zimmer. So saßen wir um den Tisch. Mein Ziel ist es erstmal Vokabular zu lehren, das sie am Anfang brauchen wie z.B. Lebensmittel, Toilettenartikel, Körperteile für Arztbesuche, Kleidungsstücke.

Wir fangen immer mit einer kurzen Vorstellungsrunde an:

Wie heißt du? Ich heiße … Diese Runde machen wir ca. 3 mal, bis jeder diese zwei Sätze versteht und gut aussprechen kann. Ich schreibe mir die Namen auf, um sie mir besser merken zu können und versuche die Leute dann immer mit Namen anzusprechen, das gibt  unwahrscheinlich viel Wertschätzung. Und mir wird immer wieder bewusst, wie schwierig manche ihrer Laute in Arabisch oder Farsi etc. sind, das dann auch heißt wie schwer manche deutsche Laute für sie sein müssen. Wie oft sie ihren Namen für mich wiederholen müssen, bis ich richtig gehört habe und den Namen richtig wiederholen kann, bei manchen Namen bestimmt 4 viermal.

Die Methode, die ich anwende basiert auf dem Prinzip zuerst hören, verstehen, dann reden und „comprehensible input“, das soviel heißt, ich sage nur was die Leute auch verstehen können. Alle Nomen werden immer nur mit dem bestimmten Artikel genannt.

Beispiel Lektion Geschirr:

Ich stelle die zu lernende Gegenstände auf den Tisch oder habe entsprechende Bilder zur Hand.

Mit ca. 4 neuen Vokabeln fange ich an, das heißt die Gegenstände oder Bilder stehen auf dem Tisch.

  1. Ich zeige auf das Glas und sage „das Glas“, dann „der Teller“, „die Tasse“, der Topf“. Ungefähr 4 mal benenne ich die Gegenstände und zeige gleichzeitig auf die Gegenstände. Die Leute sollen nicht nachsprechen , sondern sich aufs Hören konzentrieren. Am Anfang ist das nicht leicht, es gibt immer wieder welche, die mitreden oder nachreden. Doch wenn man darauf hinweist, werden sie still.
  2. Dann erwähne ich nur die Gegenstände ohne auf sie zu zeigen, die Leute sollen auf die Gegenstände zeigen, wenn alle Gegenstände von allen richtig erkannt worden sind, geht es zu den nächsten Vokabeln.
  3. Nach ca. 12 Vokabeln schreibe ich sie auf, und die Leute schreiben sie ab. Das ist natürlich ohne Whiteboard oder Tafel immer anstrengend. Ich halte das Blatt hoch zum Abschreiben. Man muss sich mit den Umständen abfinden oder ein Whiteboard vor Ort anschaffen.
  4. Dann zeige ich auf die Gegenstände und die Leute sprechen die Vokablen zum ersten Mal. Zuerst die ersten 4, dann die anderen bis alle 12 Vokabeln gut ausgesprochen werden.
  5. Diese Übung können auch Analphabeten und Kinder gut mitmachen, da es nicht unbedingt aufs Schreiben ankommt. Manchmal haben Leute auch mit ihrem Mobil Telefon meine Aussprache aufgenommen und können somit die Übung in ihren Zimmern wiederholen und verbessern somit ihre Aussprache.
  6. Durch intensives Zuhören wird die richtige Aussprache gefördert. Das Erkennen und Verstehen ist leichter, deshalb macht dieser Ansatz viel Spaß und gibt schnelle Erfolgserlebnisse, die die Motivation antreiben. In relativ kurzer Zeit lernen die Leute sehr viele Vokabeln mit denen sie dann Sätze bilden können.
  7. Manche schreiben die deutsche Aussprache in ihrer Sprache als Lautschrift auf, das ist sehr hilfreich. Besonders Leute, die noch nicht das lateinische Alphabet schreiben können. Sie schreiben die Aussprache auf Arabisch oder Farsi auf und können sich so die Wörter merken.
  8. Ich habe angefangen Gegenstände zu fotografieren, laminieren und auf der Rückseite den Namen mit Artiel aufzuschreiben. Somit können gleichzeit mehrere die verschiedene Gegenstände abschreiben nachdem die Übung gemacht wurde.
  9. Für diese Art Sprachunterricht sollte die Gruppe nicht größer sein, als die Anzahl von Leuten, die an einen Tisch passen, also ca 6-8 Leute.
  10. Nach ca 60 Minuten ist man selber müde und auch die Lernkapazität der Leute lässt nach. Dann ist dringend eine Pause nötig. Dann sollte man mit Vokabelaufbau aufhören und mit Konversationsübungen weitermachen oder den Unterricht beenden.
  11. Bei den Verben verfährt man mit dem gleichen Prinzip. Vormachen, verstehen-nachmachen, sprechen.
  12. Sobald einige Verben gelernt sind kommt man automatisch zur Grammatik. Ich gehe, du gehts….Das Konjungieren wird eingführt.
  13. Mit einer größeren Gruppe kann man grammatische Erklärungen, ganze Sätze etc. gut frontal machen. Allerdings ist es eine besondere Schwierigkeit, wenn kein Whiteboard vorhanden ist. Ich versuche momentan mit laminierten A4 Blättern zu arbeiten, von denen die Leute abschreiben können.

Der ständige Wechsel von Leuten macht es schwer fortführend und aufbauend zu arbeiten, denn es kommen immer wieder neue Flüchtlinge dazu, manche ziehen aus. Wenn man als Gruppe arbeitet kann man sich aufteilen, dass ein Sprachhelfer immer nur die Anfänger bzw. Neue hat, ein anderer baut weiter Vokabelwortschatz auf, wieder ein anderer fängt mit Grammatik an etc.

Trotz der Herausforderung macht es mir großen Spaß, wenn ich die Freude in den Augen der Leute sehe, wenn sie ihre ersten Wörter in der neuen Sprache verstehen und anfangen diese Sprache zu reden. Ihr Eifer und Motivation ist sehr groß.

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